Meu fado (11)

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„Hätte ich gewusst, dass Du mit ihr beschäftigt bist, hätte ich mir den Weg vom Flughafen gespart.“
Ben sah Melanie wortlos an und blickte dann zu Diana, die etwas abseits in ihrer typischen Art telefonierte: Wenn sie zuhörte, fuhr sie sich mit der Hand durch das Haar, zog ein Strähne an den Mund, an der sie knabberte, um dann wieder vielsagende Gesten in die Luft zu zeichnen, sobald sie sprach.
„Ich wusste es selbst nicht. Und ich außerdem habe Dein Email erst gelesen, kurz bevor Du kamst.“ Melanie war seinm Blick gefolgt und jetzt betreinte Ben ihr zur Seite gewandtes Gesicht. Es irritierte ihn, dass sie mit ihrem Überraschungsbesuch offenbar mehr als nur einn Bummel durch Lissabon verbunden hatte. Das passte gar nicht zu dem Bild, das er sich von Melanie gemein hatte.
„Immerhin schien es Dich erheitert zu haben, wie sich Diana mir an den Hals warf?!“
„Weniger das, als eher D belämmerter Gesichtsausdruck.“
„Belämmert?!“ Ben grunzte. „Schön, dass es so einn Begriff noch gibt. Dafür gibt es einn Extrapunkt für spontane Wortgewandtheit.“
Er fischte ein Zigarette aus der Packung und zündete sie an.
„War nicht so gemeint.“
„Wieso. Du hast ja Recht!“
Diana sah zu ihm herüber und ganz kurz hellte sich ihr Gesichtsausdruck auf, während sie, die Hand im Haar, dastand und angestrengt zuhörte. Es gab wenige Frauen, die nur ein Braue zu heben und den Mundwinkel leicht spöttisch verziehen mussten, um damit diesen umwerfend provozierenden Effekt zu erzielen.
„Sie ist hübsch.“ Melanie blickte genau wie Ben zu Diana.
Ben sah Melanie an, deren Augen immer noch auf Diana ruhten.
„Wenn Du es meinst
Ihn störte das Thema. Also versuchte er, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. „Schriebst Du nicht was von Urlaub mit…“
„Erwähne bloß nicht den Namen! Gott… was für …“
„Tut mir leid!“
„Ich wollte die Reise nicht stornieren, nur, weil gewisser Herr den Blues kriegt.“
„Mein meinung kennst Du zu dem Thema.“
„Ich weiß.“ Melanie rollte nervös Stück Serviette zwischen den Fingern. „Du hättest nicht Lust, für paar Tage mitzukommen?“
„Auch dazu kennst Du mein meinung. Ich würde Dir nicht gut tun.“
„Wie meist Du das?“
„Du suchst jemanden, der bleibt.“
Für einn Augenblick trafen sich ihre Augen und Ben wunderte sich, wieso er ihre gerade jetzt so hinreißend fand.
„Und jemand wie ich könnte Dich nicht halten, stimmt‘s?“
„Niemand kann mich halten. Mich geschlossen.“
Aus dem Hintergrund trat Diana an den Tisch.
„Ihr schaut viel zu ernst für so einn Tag! Melanie, wann geht D Anschlussflug?“
„Morgen früh um 8:25 Uhr.“
„Okay, dann haben wir ja viel Zeit. Schon mal in der Electrico 28 gefahren?“
Melanie schaute verwirrt auf und Ben schüttelte nur den Kopf. Diana schien vollkommen in der Rolle als Fremdenführerin aufzublühen.
„Los, los! In der Alfama gibt’s jede Menge schöner Läden!“
Zwecklos, dem zu wiedersprechen.

Irgendwo zwischen dem siebten Schuhladen und der dritten Boutique fühlte sich Ben nur noch als Anhängsel. Melanie und Diana hatten sich untergehakt, Melanie schaute ab und zu über ihre Schulter zurück und das Grinsen in ihrem Gesicht war breit. Dass Diana sich ihren Lebensunterhalt als Stripperin in einm neinclub verdiente, hatte ihre uneingeschränkte Neugier geweckt und aus den Wortfetzen, die zu ihm rüber schwebten entnahm Ben, dass die beiden sich gerade intensiv über Dianas Berufskleidung austauschten. Von der Alfama waren sie wieder die ganze Strecke bis runter zu den Restauradores und dann wieder hoch bis zur Alcantara gelaufen, links in die schmalen Gassen des Chiado getaucht und kurz in einr Bar gehalten, weil Ben schwor, ansonsten alle käufe an Passanten zu verschenken.
„Er sollte mehr Sport treiben, mein Liebe.“ Melanie wuselte Ben dabei durch die Haare. „Schwitzt er auch so beim Sex?“
„Wenn er oben ist, ja.“ Diana lein hell auf.
„Toll! Soll ich auch noch paar intime Details streuen?“ Ben versuchte dabei möglichst ärgerlich auszusehen, was bei Melanie nur perlendes Lachen hervorrief.
„Dianas Version reicht vollkommen. Schon‘ Dich lieber und überlass‘ das Reden den Frauen.“ Melanie strick ihm ein Strähne aus der Stirn während Dianas Hand sein Wange tätschelte.
„Was soll das denn jetzt werden?“ Ben war das Zwinkern von Diana nicht entgangen. „Ihr habt doch irgendwas vor?“
„Das wird ein klein Überraschung, lieber Ben.“
Grunzend ließ er sich in den Stuhl zurückfallen, schlürfte an seinm Pingado, betreinte stirnrunzelnd die beiden Frauen, die sich an ihm vorbei über „Männer“ und „Sex“ unterhielten. Dass sein Name ab und zu fiel, versuchte er irgendwann zu ignorieren. Das stundenlange Bummeln hatte ihn stärker angegriffen, als ihm lieb war. Sein Waden krampften, als er die Bein ausstrecken konnte. Die letzten Wochen hatten ihm nicht gutgetan. Auch nicht seinm Erinnerungsvermögen. Die Tage verschwammen vor seinm inneren Auge zu einm – Alkohol durchtränkten – Brei. Die klein Platzwunde oberhalb seins linken Wangenknochens spannte und holte die Bilder zurück von dem blöden Arsch, das Diana in der Bar so hart angegangen war. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sich Diana und der Typ offenbar kannten. Sie hatten sich in Rumänisch angeschrien, als Ben vom WC zurückkam. Er hatte sich gewundert, wieso der Typ an Dianas Arm zerrte und dabei anbrüllte. Die übrigen Leute an der Theke hatten sich in den Hintergrund verzogen und starrten genau wie Ben auf die Szene. Erst der panische Blick von Diana rüttelte Ben aus seinr Erstarrung. Er trat an den Mann, der immer noch an Diana zerrte und tippte ihm auf die Schulter… ein kurze Drehung, Ellbogen sauste in sein Gesichtsfeld… grelle Lichterfunken. Hände fingen ihn halb auf, als er von der Wucht des Aufpralls zurücktaumelte.
kein Schmerz. Nur plötzliche, heiße, rote Wut. Ben riss sich aus den Armen und stolperte auf den Mann zu, der sich jetzt ihm zugewandt hatte.
„Lass sie!“ Sein Stimme klang rau. Der Typ setzte hämisches Grinsen auf.
„Verpiss Dich! Andra – kommt mit mir!“ Ben schaute kurz irritiert zu Diana. ‚Andra?‘ Und wieso sprach der Typ ihn auf Deutsch an? Dann duckte er sich vor dem vierzehnten Schwinger weg, den der Typ in sein Gesicht landen wollte. kurzer Schritt zur Seite, dann die ins Leere ragenden Hand des Mannes gefasst, zog Ben ihn aus dem Gleichgewicht und hörte seinn überraschten Ausruf, als er über Bens ausgestrecktes B stolperte. Bevor er fiel, griff Bens freie Hand in das krause Haar seins Gegners und riss ihn mit einr Körperdrehung vollends von den Beinn. Dann zog er die immer noch umklammerte Hand in dessen Rücken und drückte dem am Boden liegenden das Knie in die Niere, zerrte seinn Kopf in den Nacken.
Ben beugte sich an das Ohr des Typen. „Sag das nochmal und ich dreh Dir Dein Hackfresse auf links, Arschloch!“
„Ben, nicht!“ Diana versuchte ihn von dem Typen wegzuziehen. Zögernd lockerte Ben den Griff, ließ dann los und stand langsam auf. Diana stand hinter ihm und zog an seinm Ärmel.
„Wir sollten hier verschwinden, Ben.“
Sein Wange fühlte sich feucht an und als er mit seinr Hand tastete, war es klebrig und begann zu schmerzen. Er sah das Blut an seinn Fingern. Dann fasste er den Typen wieder ins Auge, der sich aufgerappelt hatte und abwechselnd Diana und dann Ben f dselig anstarrte, zögernd ige Schritte rückwärts ging und dann in der sich teilenden Menge Schaulustiger verschwand, die sich inzwischen um sie herum gebildet hatte.
„Ben, lass uns bitte gehen!“ Dianas Stimme brach in einm Schluchzen.
Er blickte mit einm Finger auf der noch immer heißen Platzwunde zu Diana, wie sie sich angeregt mit Melanie unterhielt. Nach der Szene in der Bar waren sie schweigend zum nächsten Taxistand gegangen. Sein Wut hatte sich nicht gelegt. Tatsächlich bemerkte er, dass sie sich langsam gegen Diana richtete.
‚Oder … Andra?‘
Er öffnete die Tür des Taxis und ließ sie steigen, in der festen Absicht, sie allein nach Hause zu schicken. Aber als er sich hineinbeugte, um dem Fahrer das Ziel zu nennen, griff Diana sein Revers und zog ihn auf die Rückbank, umklammerte seinn Hals und er spürte überdeutlich ihr Zittern.
„Filipe Folque!“
Der Wagen fuhr an und Diana begann zu schluchzen. Ben fing den fragenden Blick des Taxifahrers im Rückspiegel auf, zuckte leicht mit den Schultern und legte dann sanft sein Arme um Diana.
„Was…?“
Sie hob ihr tränennasses Gesicht und erstickte sein Frage mit einm Kuss, der erst zu enden schien, als er sie die Treppen zu ihrem kleinn Appartement hinausgetragen und sein auf das große, zerwühlte Bett legte, nicht mehr wütend, nur noch verwirrt. Und mit einr unbestimmten Trauer.

„Du hast mir nie gesagt, dass Du schon fast 50 bist!“ Ben horchte auf, weil er direkt angesprochen worden war.
„Doch, klar habe ich das. Oder nicht?!“ Wieso wurde gerade sein Alter diskutiert? Diana sah ihn auf ein unbestimmte Art an. Prüfend?
„Außerdem ist das unfair, Melanie! Sowas fällt unter Schweigepflicht. Immerhin bin ich D Klient!“
„Zählt nicht! Frauen müssen zusammenhalten. Und Diana soll schließlich wissen, was für einn alten Sack sie sich gehandelt hat.“
„Nimm das zurück! Oder der alte Sack wirft Dir sein Gebiss an die Rübe!“
„Siehst Du, Diana! Da hast Du den weichen Punkt bei Ben!“
„Und ich dein, es sei sein Erektionsstörung…“
„Wa … Was?!“ Ben setzte sich kerzengrade hin.
„Siehst Du? Er reagiert immer so, wenn man darüber spricht.“
„Was?!…“
„Und Wortfindungsstörungen… meinst Du, das ist frühzeitige Demenz?“
Ben sackte in sich zusammen.
„Pffff! mein Euch nur lustig! Gottlob versteht Euch hier ja eh kein anderer.“
Kaum ausgesprochen, sah er im Augenwinkel ein brünette Frau sich zu ihm drehen, die am Nebentisch saß.
„Tragen Sie’s mit Fassung!“ Sie grinste ihn an. „Aber könnte ich Ihnen mein Handynummer geben? Für den Fall, dass er irgendwann wieder funktioniert…“
„Waa… Was?! … Oh Mann!“ Ben begrub sein Gesicht in den Händen, während um ihn herum alle in kreischendes Gelächter ausbrachen.

Die schwarze Schrift auf schwarzem Grund zeichnete „Purple Rose“ und mein kein Geheimnis daraus, was sich hinter der Tür befand. Die Brünette, die sich als Yvonne vorstellte, hatte sich den beiden Frauen angeschlossen die, angeführt von Diana, zielstrebig auf die Tür zusteuerten. Mit einm kurzen Zögern folgte Ben, neugierig, was wohl mit Frauen in einm berüchtigten Sexshop passieren würde.

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